STIRNERS EGO

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Wie soll Ich,

wenn Ich lediglich Mich frage,

eine richtige Antwort erhalten?

In meiner Unwissenheit

würde Ich Mir gerade zum Dümmsten raten!!!

Merke:

Ich führe Selbstgespräche,

weil Ich nicht weiß, was Ich sage -

also muß Ich es Mir sagen!!!

Der Satz ("Wie soll Ich...") mit dem dieser Artikel beginnt, ist einem Text des Philosophen Max Stirner entnommen, der einen starken Einfluß auf Mich ausgeübt hat. Um das Verständnis etwas zu erleichtern, möchte Ich seine Philosophie kurz zusammenfassen. Stirners Philosophie ist die Philosophie des Egoismus: Es gibt nichts, was in den Augen des Egoisten von höherem Wert wäre als Er selbst. Daher lautet einer der Kernsätze Stirners: "Meine Sache ist weder das Göttliche, noch das Menschliche, ist nicht das Wahre, Gute, Rechte, Freie usw., sondern allein das Meinige. Mir geht nichts über Mich."

Die Philosophie Stirners hat nichts mit der kalten, gefühllosen Unmenschlichkeit zu tun, die oft als Egoismus bezeichnet wird, und in Wirklichkeit Wahnsinn ist. Das möchte Ich vorausschicken.

Menschen opfern ihr Leben im Krieg für das Vaterland, im Kampf für Ideen wie Staat, Recht, Moral, Religion. Sie glauben der Sache einer Idee oder dem Willen eines fiktiven Wesens (Gott) dienen zu müssen. Dieser Wille wird ihnen von Lügnern eingeredet, die damit die Befriedigung ihrer eigenen Interessen bezwecken. Die Herrschenden fordern von ihren Untertanen, daß sie dem Staatswohl uneigennützig dienen - Sie schimpfen auf die Egoisten. Doch das Staatswohl ist stets das Wohl der Herrschenden, denn ein Staat ist ja nur ein Herrschaftssystem, dessen Nutznießer sie selbst sind und keine soziale Einrichtung, wie das den "Bürgern" immer eingeredet wird. Wer behauptet, einer höheren Sache zu dienen, ist entweder ein Betrüger oder ein Spinner. Aus der Sicht des Egoisten verfliegen alle diese "höheren Werte", für die sich die Masse der Menschheit begeistern läßt und auf dem Schlachtfeld opfert. Stirner entlarvt diese "Werte" als "fixe Ideen", von denen die Menschen "besessen" sind:

"Mensch, es spukt in deinem Kopfe; Du hast einen Sparren zuviel! Du bildest Dir große Dinge ein und malst Dir eine Götterwelt aus, die für Dich da sei, ein Geisterreich zu welchem Du berufen seist, ein Ideal, das Dir winkt. Du hast eine fixe Idee!

Denke nicht, daß ich scherze oder bildlich rede, wenn Ich die am Höheren hängenden Menschen, und weil die ungeheure Mehrzahl hierhergehört, fast die ganze Menschenwelt für veritable Narren, Narren im Tollhause ansehe. Was nennt man denn eine fixe Idee?

Eine Idee, die den Menschen sich unterworfen hat. Erkennt Ihr an einer solchen fixen Idee, daß sie eine Narrheit sei, so sperrt Ihr den Sklaven derselben in eine Irrenanstalt. ...

Ist nicht alles dumme Geschwätz, z.B. unserer meisten Zeitungen, das Geplapper von Narren, die an der fixen Idee der Sittlichkeit, Gesetzlichkeit, Christlichkeit usw. leiden, und nur frei herumzugehen scheinen, weil das Irrenhaus worin sie wandeln einen so weiten Raum einnimmt? Man taste einem solchen Narren an seine fixe Idee, und man wird sogleich vor der Heimtücke des Tollen den Rücken zu hüten haben. ... Man muß die Tagesblätter dieser Periode lesen, und muß den Philister [Spießbürger] sprechen hören, um die gräßliche Überzeugung zu gewinnen, daß man mit Narren in ein Haus gesperrt ist. ... Ob ein armer Narr des Tollhauses von dem Wahne besessen ist, er sei Gott der Vater, Kaiser von Japan, der heilige Geist usw., oder ob ein behaglicher Bürger sich einbildet, es sei seine Bestimmung, ein guter Christ, ein gläubiger Protestant, ein loyaler Bürger, ein tugendhafter Mensch usw. zu sein - das ist beides ein und dieselbe "fixe Idee".

Wer es nie versucht und gewagt hat, kein guter Christ, kein gläubiger Protestant, kein tugendhafter Mensch usw. zu sein, der ist in der Gläubigkeit, Tugendhaftigkeit usw. gefangen und befangen. Gleichwie die Scholastiker [christliche Philosophen des Mittelalters] nur philosophierten innerhalb des Glaubens der Kirche, Papst Benedikt der XIV. dickleibige Bücher innerhalb des papistischen Aberglaubens schrieb, ohne je diesen Glauben in Zweifel zu ziehen, Schriftsteller ganze Folianten über den Staat anfüllen, ohne die fixe Idee des Staates selbst in Frage zu stellen, unsere Zeitungen von Politik strotzen, weil sie in dem Wahne gebannt sind, der Mensch sei dazu geschaffen, ein Zoon politikon zu werden, so vegetieren auch Untertanen im Untertanentum, tugendhafte Menschen in der Tugend, Liberale im "Menschentum" usw., ohne jemals an diese ihre fixen Ideen das schneidende Messer ihrer Kritik zu legen.

Unverrückbar, wie der Irrwahn eines Tollen, stehen jene Gedanken auf festem Fuße, und wer sie bezweifelt, der - greift das HEILIGE an! Ja, die fixe Idee, das ist das wahrhaft Heilige!!!"

"DER EINZIGE UND SEIN EIGENTUM" S. 46/47

Menschen, die mit von Gott gesegneten Kanonen für Volk und Vaterland andere töten, zu denen sie gar keinen Bezug, gar keinen Kontakt haben - lediglich, weil ein anderer Mensch den "Befehl" gibt, weil "der Feind" auf einem anderen Fleckchen Erde aufgewachsen ist, eine andere Sprache spricht, oder weil sein Gott einen anderen Namen hat, oder für die einen zweigeteilt ist, wohingegen die anderen an dessen dreigeteilte Einheit glauben - sind meiner bescheidenen Meinung nach komplett irre. Ich sehe Mich nicht dazu veranlaßt, darüber mit jemandem, der das Gegenteil behauptet, zu diskutieren: Ganz selten kann man einem Wahnsinnigen eine seiner fixen Ideen ausreden. Die Schrecken des ersten Weltkriegs verhinderten den Zweiten Weltkrieg nicht. Soviel zum Egoismus Stirners. An einer Stelle in seiner Philosophie schreibt er dann auch sehr wahre Sachen über das Bewußtsein:

"Aber man braucht Euch nur an Euch zu mahnen, um Euch gleich zur Verzweiflung zu bringen. "Was bin Ich?" so fragt sich Jeder von Euch. Ein Abgrund von regel- und gesetzlosen Trieben, Begierden, Wünschen, Leidenschaften, ein Chaos ohne Licht und Leitstern! "Wie soll Ich, wenn Ich ohne Rücksicht auf Gottes Gebote oder auf die Pflichten, welche die Moral vorschreibt, ohne Rücksicht auf die Stimme der Vernunft, welche im Lauf der Geschichte nach bitteren Erfahrungen das Beste und Vernünftigste zum Gesetze erhoben hat, lediglich Mich frage, eine richtige Antwort erhalten?

Meine Leidenschaft würde Mir gerade zum Unsinnigsten raten." -

So hält jeder sich selbst für den - Teufel; denn hielte er sich, sofern er um Religion usw. unbekümmert ist, nur für ein Tier, so fände er leicht, daß das Tier, das doch nur SEINEM Antriebe (gleichsam seinem Rate) folgt, sich nicht zum "Unsinnigsten" rät und treibt, sondern sehr richtige Schritte tut. Allein die Gewohnheit religiöser Denkungsart hat unseren Geist so arg befangen, daß Wir vor UNS in unserer Nacktheit und Natürlichkeit - erschrecken; sie hat Uns so erniedrigt, daß Wir Uns für erbsündlich, für geborene Teufel halten. Natürlich fällt Euch sogleich ein, daß Euer Beruf erheische, das "Gute" zu tun, das Sittliche, das Rechte.

Wie kann nun, wenn Ihr Euch fragt, was zu tun sei, die rechte Stimme aus Euch heraufschallen, die Stimme, welche den Weg des Guten, Rechten, Wahren usw. zeigt? Wie stimmt Gott und Belial? [= Teufel, Antichrist]

Was würdet Ihr aber denken, wenn Euch Einer erwiderte: daß man auf Gott, Gewissen, Pflichten, Gesetze usw. hören solle, das seien Flausen, mit denen man Euch Kopf und Herz vollgepfropft und Euch verrückt gemacht habe? Und wenn er Euch früge, woher Ihr's denn so sicher wißt, daß die Naturstimme eine Verführerin sei?

Und wenn er Euch gar zumutete, die Sache umzukehren, und geradezu die Gottes- und Gewissensstimme für Teufelswerk zu halten? Solche heillosen Menschen gibt's; wie werdet Ihr mit ihnen fertig werden? Auf Eure Pfaffen, Eltern und guten Menschen könnt Ihr Euch nicht berufen..."

DER EINZIGE UND SEIN EIGENTUM

S. 178/179 (Erschienen 1844)

Als Ich "Der Einzige und sein Eigentum" das erste Mal gelesen habe, habe Ich nicht gemerkt, daß Stirner an der unterstrichenen Stelle ironisch spricht. Es sind die Worte des Spießers, der in der rhetorischen Auseinandersetzung mit Stirner äußert: Wenn Ich Mich frage, was Ich tun soll und dabei nicht mehr auf die Gebote Gottes, des Rechts, der Moral usw. höre, die die Gesellschaft Mir eingetrichtert hat, werde Ich Mich in einen Teufel verwandeln. Dem setzt Stirner entgegen: "Warum wollt Ihr nun den Mut nicht fassen, Euch wirklich ganz und gar zum Mittelpunkt und zur Hauptsache zu machen. ... Fragt Euch und fragt nach Euch - das ist praktisch, und Ihr wollt ja gerne praktisch sein.".

Stirner meinte, man sollte egoistisch sein, sich selbst fragen, was man tun soll, ohne aber bei der Antwort daran zu denken ob es einer übergeordneten Instanz (Gott, Recht, Moral, öffentliche Meinung) recht ist - sondern nur einem selbst. Es ist nur merkwürdig, daß dieser Eigenwille durch eine Selbstbefragung zustandekommt...

Wenn man nur die unterstrichenen Satzteile liest, kommt der Satz zustande, mit dem dieser Artikel anfängt. Stirner ereifert sich rhetorisch für seinen Egoismus und läßt dabei dem Gegner die Ursache seiner fixen Ideen aussprechen: Wie soll Ich, wenn Ich lediglich Mich frage, eine richtige Antwort erhalten?

Auf der Suche nach Erklärungen erfanden die Menschen die Götter - von denen sie später verfolgt wurden, geradeso wie Schizophrene sich vom Mann im Mond beeinflußt fühlen. Andere hatten diesen Wahn nicht, und begannen, ihn auszunutzen - ihnen offenbarte sich der Wille der Götter. Noch heute müssen die Arbeiter fünf Tage hintereinander arbeiten, am sechsten Tage ihr Auto putzen und am siebten Nichtstun, weil der HERR die Welt in sieben Tagen schuf.

Stirner bringt noch einen anderen Satz zum Besten, der genau das sagt, was Ich zum Ausdruck bringen möchte: "Wie kann nun wenn Ihr Euch fragt, was zu tun sei, die rechte Stimme aus Euch heraufschallen, die Stimme, welche den Weg des Guten, Rechten, Wahren usw. zeigt?" Er meint auch, daß die Stimmen von Gott, Vernunft und Gewissen Teufelswerk sind, letztendlich bleibt er aber bei seiner Aussage, daß der Egoist auf sich selbst hören soll - leider.

Der Moralist fragt sich, ob es der Moral recht ist.

Der Egoist fragt sich, ob es Ihm recht ist.

Ich frage Mich überhaupt nicht.

Die Menschen spielen verrückt, weil sie Selbstgespräche führen. Das "Denken", die "Vernunft" sind gleichsam nur Fiktionen. Die Menschen haben die Idee der Moral, des Rechts, der Stimme der Vernunft usw. bloß entwickelt, um ihren Wahnsinn zu ordnen, oder den anderer auszunutzen.

1. Menschen sind auch Tiere, die ihrem Instinkt folgen sollten -

(und nicht ihrem "Rate" - was soll Ich Mir raten?)

2. Ich muß Mir nicht sagen, was Ich denke -

weil Ich es denke (entweder Ich weiß was Ich

denke oder Ich kann es Mir auch nicht sagen.)

„Der Einzige und sein Eigentum” gibt es als Reclamheft..

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